ein Gesellschaftsproblem
Ein Beitrag für meine Freundin Daniela und alle anderen, die sich wie ich eine Veränderung wünschen.
Lieber Leser und Leserinnen, liebe Eltern und Großeltern, liebe Erzieher und Lehrer,
was ist nur los mit unserer Gesellschaft? Haben Kinder, die nicht der Norm entsprechen es wirklich verdient so behandelt zu werden – sind die kleinen so schlimm? Ist es nicht vielmehr die eigene Unsicherheit von Pädagogen und Pseudopädagogen, die für Entscheidungen und Aussagen sorgt welche mich an der Menschlichkeit zweifeln lassen muss? Haben nicht gerade die kleinen, die anders sind unseren Schutz, unsere Fürsorge und Verständnis verdient?
Ich beschäftige mich heute mal mit einem ganz besonderen Thema: Kinder die anders sind.
Bevor ich später auf das eigentliche Thema zurückkomme, muss ich an dieser Stelle leider etwas Grundwissen vermitteln, um der Tragweite meiner Worte auch Bedeutung verleihen zu können.
Pädagogik – ein schwammiger Begriff
Normalerweise geht man bei Pädagogen/Pädagoginnen davon aus, dass es sich um studierte Fachmänner und Fachfrauen handelt, die eben genau dieses Fach in intensiven Studiengängen von der Pike auf gelernt haben. Was im besten Fall stimmt trifft aber nun mal nicht wirklich immer zu.
Pädagoge/Pädagogin ist kein geschützter Begriff und ich glaube, deshalb nehmen viele an sich selbst so nennen zu können. Vor allem nehmen diese »Pseudopädagogen« sich auch oft das Recht heraus, ihre Meinung zu Dingen zu äußern von denen sie sowas von keine Ahnung haben.
Als kleines Beispiel nenne ich gerne meine letzten Deutschlehrer, der ach so gerne mit Pädagoge unterschrieben hat obwohl er im Umgang mit Menschen einfach nur unfähig war. Ja, wirklich bescheuert. Ich hab den guten alten Herren dann vor versammelter Klasse gefragt, wo er denn bitte schön Pädagoge sei, da er ja schließlich doch nur Deutschlehrer ist. Er habe ja nur einen Lehr- und keinen Erziehungsauftrag. Zu der Zeit als er studiert hat gab es nicht mal ein Praktikum bevor man die angehenden Lehrer auf Schüler losgelassen wurden. Dem konnte er nichts entgegnen außer der Aussage, er könne mich nicht leiden.
Der Begriff Pädagoge kommt übrigens aus dem Altgriechischen und bezeichnet ursprünglich – und jetzt kommt’s – den Sklaven, der den Schüler zu seinem Lehrer begleitet und geführt hat!
Pädagogische Fachkräfte finden sich z.B. in den Arbeitsbereichen der Kinder- und Jugendhilfe (wie etwa Heimerziehung), sozialpädagogische Familienhilfe sowie bei Hortbetreuung, in Kindergarten oder Kinderkrippe aber auch in der Förderung von körperlich und geistig behinderten Kindern und Jugendlichen.
Insbesondere dieses vorhergehende, zur Sozialpädagogik zusammengefasstes Arbeitsfeld geht oftmals fließend in die soziale Arbeit über. Desweiteren haben beispielsweise Sonderpädagogen und Schulpädagogen oftmals ein breites Spektrum an Berührungs- und Schnittstellen (nicht nur an Sonderschulen und sozialpädagogisch begleiteten Ganztagsschulen). Über zusätzliche bzw. erweiterte Formen der Ausbildung oder während ihrer praktischen Tätigkeit spezialisieren sich manche Pädagogen weiter zum Drogenberater, Medienpädagogen, Zirkuspädagogen, Erlebnispädagogen, Umweltpädagogen oder Sexualpädagogen. Auch hier verschwimmen in der praktischen Arbeit die Grenzen zwischen Erziehung, Bildung und sozialer Arbeit.
Es gibt also nicht »den Pädagogen« und ich denke, genau da liegt ein großes Problem. Jeder kocht sein eigenes Süppchen mit seinen ganz eigenen Meinungen und Vorstellung über die richtige Erziehung und den Umgang mit Kindern und Jugendlichen. Eine Hauptschülerin, die Kinderpflegerin gelernt hat oder ein junger Kerl, nach 2 Jähriger Berufsschule Sozialassistent wurde, ist genauso Pädagoge/Pädagogin wie eine Studentin der sozialen Arbeit oder eben ein Lehrkörper.
(Vorsicht, freie Meinung!)
Hab ich ein Recht mich zu äußern?
Mir wird ja gerne gerade aus dem familiären Umfeld gesagt, dass ich keine Meinung zu Erziehungsfragen haben darf, da ich selbst keine Kinder habe. Aber um Werte zu vermitteln und um zu wissen, was richtig und falsch ist, muss ich weder selbst Papa sein noch eine pädagogische Ausbildung genossen haben. Dennoch möchte ich jetzt auch den letzten Kritikern sagen, dass ich durch meine Berufserfahrungen in der Kinderhospizarbeit, Heilerziehungspflege und Altenpflege wohl genug menschliches Geschick erworben habe, um mich dazu im Rahmen meiner eigenen Meinung äußern zu dürfen.
Wer mich kennt weiß, wie ich mit Kindern umgehe – da kamen noch nie Beschwerden.
Nun habe ich ja mittlerweile beruflich sehr viel mit Eltern zu tun, die laut der Gesellschaft ein etwas schwierigeres Kind haben. Dabei fällt mir vermehrt der schlechte Umgang mit selbigen auf (womit keinesfalls die Eltern gemeint sind).
Da ich es nicht einfach so hinnehmen kann und möchte, werde ich nun meinen Senf dazu geben in der Hoffnung auf ein Umdenken oder auch nur um den betroffenen Eltern zu zeigen, was für tolle Kinder sie haben – egal was andere behaupten.
Überforderung und Unwissenheit
Ich muss jetzt auch mal für diejenigen sprechen, welche eben genau in all den pädagogischen Berufsfeldern tätig sind – da ist erst mal keiner böse oder will den Kindern etwas schlechtes.
Oft spielt auch die Gesetzeslage bei Entscheidungen eine große Rolle und vielen pädagogisch arbeitenden Menschen sind da auch einfach die Hände gebunden (gerade wenn man an die niedrigen Personalschlüssel in Kindergärten denkt). Meist ist es auch einfach schlichtweg Unwissenheit und eine daraus resultierende Angst etwas falsch zu machen die für Ablehnung sorgt. Unsere Gesellschaft ist einfach nicht flächendeckend auf Kinder mir besonderen Bedürfnissen eingestellt.
Trotzdem möchte ich mit einigen Vorurteilen aufräumen um so zumindest die Denkweisen zu ändern. Kinder sind unsere Zukunft – da sollten wir alle an einem Strang ziehen, wenn wir eine Verbesserung der Situation bewirken wollen.
Es gibt meiner Meinung nach drei Bereiche im Bezug auf den Umgang mit Kindern, bei denen sich dringend etwas ändern muss. Dabei geht es einmal um das Rollenbild von Jungen und Mädchen und natürlich auch um »verhaltensauffällige« Kinder sowie den kleinen Kämpfern die (wie auch immer) gesundheitlich eingeschränkt sind und ein angepasstest pädagogisches Angebot benötigen.
Am einfachsten ist es, denke ich, mit den gängigen Rollenbildern aufzuräumen und damit fange ich gleich an.
Jungs und Puppen vs. Mädchen und Autos
Ja, leider ist genau das ein sehr großes Problem. Wir leben im Zeitalter der Gleichberechtigung und während Schulen auf Boys- und Girlsdays setzten um zwecks beruflicher Orientierung mal in die »Berufsgruppen des anderen Geschlechts« reinschnuppern zu können, die Politik mehr schlecht als Recht versucht eine Frauenquote durchzusetzen und Männer sich aus Angst vor Konsequenzen mittlerweile nicht mehr trauen einer Frau gegenüber selbstbewusst aufzutreten, ja, während alle dem regen sich immer noch Menschen darüber auf, wenn die Kinder sich nicht so recht in stereotype Rollenbilder reinzwängen lassen wollen.
Mal ganz ehrlich, Wie dumm kann man sein?
Es ist doch absolut egal ob Lieschen lieber Hosen trägt als Röcke und Paulchen eine Puppe sein liebstes Spielzeug nennt. Wo ist euer Problem dabei? Darf ein Kind sich nicht selbst entdecken und ausprobieren? Darf ein Kind keine Phantasie mehr haben?
Wollt ihr wirklich, dass diese Kinder nur wegen eurer absolut lächerlichen Rollenklischees später psychische Schwierigkeiten bekommt, nur weil ihr sie in der persönlichen Entwicklung so störrisch blockiert habt? Wovor habt ihr denn Angst? Ein junge der umsorgend eine Puppe im Arm hält wird vielleicht mal genau der Erzieher mit Herz, welcher heute so oft fehlt. Ein Mädchen das mit Autos spielt wird vielleicht mal eine super Mechanikern mit dem nötigen Feingefühl für Technik!
Kinder lieben es sich zu verkleiden und was ist kreativer als mal ins andere Geschlecht zu schlüpfen? Erwachsene dürfen sich jedes Jahr aufs neue an Karneval und Co. verkleiden, sich dabei hemmungslos durch die Gegend kopulieren – aber Kinder dürfen nicht mal Spaß haben.
Wer immer noch der Meinung ist Mädchen brauchen Rosa und Jungs immer Blau, denen sei gesagt: Ihr lebt in der Steinzeit und habt nicht begriffen, worum es im Leben wirklich geht. Eure Kinder tun mir leid!
Jetzt bleib doch mal still sitzen
Stundenlanger Frontalunterricht schon in der Grundschule, zu wenig Bewegung im Alltag und nicht altersgerechte Strukturen – ja, wen wundert es dann, wenn mehr und mehr Kinder ihre Unruhe nicht zurück halten können und »auffällig« werden.
Alles wird immer hektischer. Man hat schon manchmal das Gefühl, dass den kleinen die Kindheit genommen wird bevor sie überhaupt die Chance hatten diese so richtig auszuleben. Ich könnte jetzt natürlich ewig an unserem derzeitigen Bildungssystem rum meckern, aber bringen würde es nichts. Ihr sollt nur verstehen, dass nicht die Kinder gestört sind sondern die Gegebenheiten.
Sobald ein Kind sich nicht in das strenge Reglement rein zu zwängen vermag, treten viele Schwierigkeiten auf. Das hat weder was mit dem Versagen der Erziehungsberechtigten zu tun, noch damit das es ein böses Kind ist. Hier versagt schlichtweg das System – diese Tatsache sollte nie vergessen werden. Kinder mit besonderen Bedürfnissen gehen einfach unter und dann darf man bitte nicht die Kleinen dafür verantwortlich machen. Denkt mal drüber nach!
Ist der schon wieder Krank
Kinder mit chronischen Erkrankungen haben es eh schon nicht leicht. Auch hier ist unser Bildungssystem und auch das Erziehungswesen kein Stück auf die individuellen Bedürfnisse eingestellt.
Da bekommen Kinder keinen Kita Platz, weil es zu wenig Erzieher in den Einrichtungen gibt um der Sache gerecht zu werden und es schlichtweg an Wissen mangelt. Jugendliche dürfen nicht mit auf Klassenfahrten wenn die Lehrer – berechtigterweise – Angst haben die Verantwortung zu übernehmen.
Ja, aber denkt dabei auch einer an die empfindliche Psyche der Kinder? Ist es vertretbar unseren kleinen Hoffnungsträgern diverse Erfahrungen vorzuenthalten nur weil sie eben krank sind? Warum gibt es da so wenig Möglichkeiten ein krankes oder behindertes Kind zu integrieren und ihm ebenfalls eine Zukunft zu ermöglichen? Ich dachte wirklich wir wären weiter und nicht mehr in der Vorkriegszeit ohne Chancengleichheit. Ein Trauerspiel.
Fazit
Es gibt keine schlechten Kinder – nur einen schlechten Umgang mit ihnen. Ich mag sie alle, die Aufgedrehten, die Anstrengenden, die Phantasievollen, die Kranken und die Behinderten.
Kinder sind Kinder und sollten nun mal auch alle Möglichkeiten haben, sich angepasst an ihre individuelle Situation frei entfalten zu können. Ein Wunschtraum, aber einer für den es sich lohnt zu kämpfen.
Euer Stephan