Vorsicht! Dieser Text kann sehr aufs Gemüt schlagen.
Liebe Leserinnen und Leser,
Es ist schon manchmal komisch, wo mich meine Gedanken hinführen und wie ich überhaupt zu diesen Gedanken komme: Meine Katze wird krank und ich fange an über die Sinnhaftigkeit meines Lebens nachzudenken.
Es gibt so Situationen
Es gibt so Situationen im Leben, da denke ich, es hätte eigentlich nicht sein sollen, und weil es doch so war, muss ich jetzt mit den Konsequenzen leben. Nehmen wir da doch einfach Aktuell die Situation mit unserer kleinen Fellnase Hinata. Unsere kleine Flauschmaus war von Anfang an etwas ganz besonderes. Sie kam am 06.03.2016 zur Welt, bei uns im Wohnzimmer auf dem Sessel. Sie wurde als dritte geboren und lag im Bauch der Mutter zwischen den beiden schwarzen und den beiden roten Geschwistern. Hinata ist eine Schildpatt – eine sogenannte Glückskatze – mit allen möglichen Farben.
Sie kam auf die Welt und atmete nicht. Ich hab das durch Schleim absaugen, Herzmassage und Rubbeln aber alles in den Griff bekommen. Beim Wiegen stellte ich dann fest, dass die Kleine mit ihren 63 Gramm nur halb soviel gewogen hat wie ihre Geschwister und eben sehr untergewichtig war. Hinata war auch mit allem immer etwa zwei Wochen hinterher – Futterumstellung, Stubenreinheit und später, in den Sozialisierungsphasen, war sie immer etwas langsamer als ihre Geschwister.
Mit der Zeit hat sie gut aufgeholt, sich mit Größe und Gewicht den anderen angepasst. Eigentlich wollten wir nur ein Kätzchen aus dem Wurf behalten. Wir hatten ja eigentlich schon drei Katzen und uns bereits für die kleine Hexe entschieden, jedoch brachte ich es nicht übers Herz die Kleinste abzugeben – so wurden aus drei eben nicht vier sondern fünf Katzen.
Hinata ist jetzt etwas über elf Monate alt und hatte vor vier Wochen ihre erste richtige Rolligkeit. Sie hat sechs Tage und Nächte die Wohnung mit ihrem Schreien erfüllt. Unser kleiner Luchs ist die Einzige, bei der die Rassemerkmale der Großeltern durchgekommen sind und damit auch wohl noch mehr als gedacht. Mit der wirklich abnorm ausgeprägten Rolligkeit entwickelte sich bei Hinata ein Knoten in der rechten Gesäugeleiste, so groß wie die Daumenkuppe, leicht verschiebbar und schmerzlos. Ich habe zu erst an eine Gesäugeleiste Entzündung gedacht auf Grund der hormonellen Umstellung. Es war nichts rot oder warm, es kam kein Sekret aus den Milchdrüsen und, naja, den Verdacht habe ich dann schnell verworfen.
Drei Tage später war bereits ein zweiter Knoten da – jetzt kam mir der Gedanke an Krebs. Während bei Hunden Gesäugeleistentumore meist gutartig sind, sind diese bei Katzen zu 98% immer bösartig.
Mittlerweile ist eine Woche vergangen gewesen und ich habe wirklich über den Gesundheitszustand dieser Katze gebrütet. Sie frisst und trinkt sehr gut, sie hat keine Probleme mit der Verdauung, die Zähne und der Mundraum sind in Ordnung, das Fell glänzt und sie spielt ganz viel. Außerdem hat sie kein Fieber und die Schleimhäute sind gut durchblutet. Es ging ihr also gut und irgendwie konnte ich mir nicht vorstellen, dass eine Katze die noch keine zwölf Monate alt ist an einem Brustkrebs erkrankt. Also habe ich angefangen mich mit der Entstehung von Mamakarzinomen bei Katzen zu beschäftigen.
Wusstet ihr, dass der Brustkrebs bei Katzen der Gleiche ist, wie der genetische Brustkrebs bei Frauen?! Meine Studien führten mich aber schlussendlich in eine ganz andere Richtung: Wenn man sich wie ich ständig mit seltenen Erkrankung beschäftigt, dann fängt man an um Ecken zu denken. Mittlerweile denke ich sogar eher an etwas atypisches oder seltenes, anstatt zu erst die naheliegenden Gründe zu sehen. Jeder andere Tierbesitzer wäre wohl schnell dabei gewesen zum Tierarzt zu rennen. Der Tierarzt hätte mit großer Wahrscheinlichkeit zur totalen Mastektomie geraten (die Entfernung beider Gesäugeleisten). Zusätzlich hätte man uns noch zur Entfernung von Eierstöcken und Gebärmutter geraten.
Mittlerweile sind drei weitere Wochen vergangen und Hinata hat mittlerweile 5 Knoten unterschiedlicher Größe verteilt auf beide Gesäugeleisten. Ihr geht es immer noch richtig gut, denn sie hat keinen Krebs! Hinata leidet an feliner Fibroadenomatose – einer seltenen Katzenkrankheit. Die Erkrankung tritt vor allem bei jungen Katzen spontan auf. Die Feline Fibroadenomatose (feline Mammahyperplasie) ist eine hormonell beeinflusste Erkrankung der Milchdrüse der Katzen die durch eine reversible (kann sich zurückbilden) Zubildung von mesenchymalen (embryonales Bindegwebe) und epithelialen Zellen (Drüsengewebe) im Gesäuge gekennzeichnet ist. Sie ist Folge hoher Progesteronspiegel und bildet sich nach der Rückbildung des Gelbkörpers im Eierstock zumeist spontan zurück.
Bei Hinata wurde dieses gutartige Brustwachstum durch die erste Rolligkeit und den dadurch hohen Hormonspiegel ausgelöst. Eine Heilung ist nur durch Hormontherapie oder Kastration möglich. Wir werden Hinata also nach der nächsten Rolligkeit kastrieren lassen, die Eierstöcke kommen raus. Sobald sich der Hormonspiegel normalisiert hat bilden sich die Tumore zurück bis sie komplett verschwinden. Leiden würde die Katze erst, wenn die Tumore das umliegende Gewebe schädigen – aber solange werden wir natürlich nicht warten.
Wo steckt der Sinn dahinter?
Warum erzähle ich das alles? Nun gut, ich bin ehrlich und stelle eine Frage in den Raum: Kann es sein, dass diese Erkrankung von Hinata quasi die Quittung dafür ist, dass sie nach der Geburt von mir wiederbelebt wurde? Wenn wir wirklich von einem natürlichen Gleichgewicht sprechen, ist dann die Krankheit von Hinata der gerechte Ausgleich für ihr Überleben, weil sie ja eigentlich nicht hätte überleben sollen?
Übertragen wir das Ganze doch einfach auf mich: Bei meiner Geburt wäre nicht nur meine Mutter fast gestorben, sondern auch ich. Ich lag mit einem Bein angewinkelt/verkeilt und mit der Nabelschnur um den Hals im Bauch meiner Mama. Ich habe sie fast auseinander gerissen und mich selbst dabei beinahe erhängt.
Meine Mutter hat in der Schwangerschaft mit mir ihre kompletten Zähne verloren, zudem ergrauten ihre Haare. Mit meinem Kaiserschnitt wurde auch gleich dafür gesorgt, dass meine Mama keine Kinder mehr bekommen kann.
Ich bin schwerbehindert, chronisch krank, habe einen angeborenen Immundefekt und viele Begleiterkrankungen – meine Gene sind eher biologischer Abfall als Bauplan für das Wunder Mensch. Ist mein gesundheitlicher Zustand die logische Konsequenz für mein Überleben trotz der Startschwierigkeiten? Kann es sein, dass ich eigentlich nicht hätte sein sollen?
So denke ich halt
Ich weiß nicht ob ihr versteht, dass ich solche Gedanken habe. Ich versuche halt immer allem einen Grund oder Sinn zu geben. Fakt ist: ich bin nun mal da und das nun sogar schon seit 30 Jahren. Ich habe mir nicht ausgesucht zu sein und erst recht nicht mit welchen Voraussetzungen. Es gibt so Situationen im Leben, da denke ich: „Wäre es nicht besser gewesen wenn nicht?“ und dann begreife ich immer wieder aufs Neue: „Es ist nun mal wie es ist.«. Irgendjemand oder irgendwas wollte, dass es genau so läuft und war der Meinung, dass ich mit all dem umgehen kann.
Alles im Leben hat einen Preis, aber ich habe Freunde und ich habe Liebe, ich kenne so unglaublich tolle Menschen und auch in meinem Leben gibt es tolle Momente und Situationen. Wenn ich um all diese Dinge erleben zu dürfen einen Preis zahlen musste – in meinem Fall die Gesundheit – ja, dann habe ich diesen Preis (wenn auch unbewusst) mit vollem Herzen bezahlt. Es ist kein perfektes Leben, es fällt mir oft auch mal zur Last und doch ist es mein Leben, meins ganz allein und für dieses Leben habe ich viel gezahlt – also sollte ich es wertschätzen. Ich bin es wert und ihr seid es auch!
Alles in deinem Leben hat einen Sinn. Du selbst!
Kennt ihr auch solche Gedanken? Schreibt mir !
Euer Stephan