(M)ein Weg des japanischen Anime
15 Jahre sind an sich schon keine kurze Zeitspanne, aber für einen wöchentlich erscheinenden, mehrseitigen Comic erst recht. Der Begriff Comic wird dabei den japanischen Mangas inhaltlich aber eigentlich nicht wirklich gerecht und man sollte diese Gattung der grafischen Literatur wirklich als etwas ganz eigenes betrachten. Nun sind aber nicht nur die Naruto Mangas mit ihrer Erzählung zu einem Abschluss gekommen, sondern im März diesen Jahres auch die parallel dazu entstandene Zeichentrick- bzw. Animeserie mit den letzten Folgen in Japan ausgestrahlt worden.
Diesem Serien-Finale haben wir uns am vergangenen Wochenende – zugegeben mit etwas Verspätung – selbst gestellt nund waren ehrlich gesagt wirklich etwas ergriffen…
Worum geht es bei Naruto?
Ohne an dieser Stelle zu viel von der eigentlichen Geschichte die der Manga und Anime erzählen zu verraten, möchte ich aber einen kurzen Abriss über den Inhalt der Serie wiedergeben, damit ihr überhaupt wisst, wovon wir hier sprechen. Auf Wikipedia wird die Handlung in einem Satz recht stark vereinfacht zusammen gefasst: »Die Handlung spielt in einer fiktiven Welt, die hauptsächlich aus der Sicht von Ninja des Dorfes Konohagakure dargestellt wird. Hauptfigur ist der junge Ninja Naruto Uzumaki dessen Weg, ein Erwachsener und oberster Ninja seines Dorfes (Hokage) zu werden, verfolgt wird.«
Naruto handelt also augenscheinlich maßgeblich vom gleichnamigen Hauptcharakter Naruto Uzumaki, einem Waisen aus Konohagakure – was übrigens soviel bedeutet wie “Das Dorf versteckt hinter den Blättern”. Mit diesem im Wald versteckten Dorf kommen wir auch schon auf das zentrale Thema zu sprechen: Die Ninja – die Welt von Naruto dreht sich voll und ganz um das Dasein als Ninja und zentraler Bestandteil der Erzählung ist die Ausbildung von Naruto und seiner Altersgenossen.
Relativ schnell stellt sich jedoch für den Zuschauer heraus, dass der Kern der Geschichte eigentlich das schwierige Verhältnis der Freundschaft zwischen Naruto und seinem Teamkameraden und gleichzeitig Rivalen Sasuke ist. Dieser bricht im weiteren Verlauf eigentlich mit so ziemlich allem und jedem, begibt sich auf die Suche nach Rache an seinem verlorenen Bruder und wird nebenbei zum Quasi-Staatsfeind Nummer 1 – dennoch bleibt es stets das Bestreben des Hauptcharakters seinen Freund zu retten und zurück in ihre gemeinsame Heimat zu bringen.
Und was noch?
Natürlich wäre das Konzept soweit relativ eindimensional und für sich wenig außergewöhnlich. Dabei meine ich damit gar nicht mal das sonstige “Drumherum” der Darbietung, da diese eigentlich aus den vollen schöpft und neben Action- und Kampfsequenzen mit reichlichem Fantasy-Bezug auch einige Anspielungen auf die japanische und generell östliche Mythologie bereithält – riesige übernatürliche Wesenheiten mit schier unbändiger Kraft inklusive… ach, hatte ich schon erwähnt, dass ein solches “Biest” auch im Körper von Naruto versiegelt wurde?
Wie ihr vielleicht schon merkt, ist es gar nicht so einfach den Inhalt von Naruto als Serie so einfach zu umreissen. Dazu ist die Manga-Reihe mit ingesamt 700 Kapiteln und der Anime mit 720 Folgen (wobei man hier die sogenannten “Filler” eigentlich wieder abziehen müsste) viel zu umfangreich. Von daher habe ich mir überlegt, euch die Serie anders vor zu stellen, als man es vielleicht im ersten Moment erwarten würde und dabei eher auf die Meta-Ebene der Erzählung einzugehen…
Das Welt hinter den Bildern
Wie bereits im vorherigen Abschnitt erwähnt, geizen die Macher nicht damit, eine ordentliche Portion Fantasy in ihr Werk einzubauen – das wird einem schon nach dem ersten Band bzw. den ersten Folgen als Zuschauer sehr schnell klar. Was man aber zu Beginn noch nicht wirklich erahnen kann und was sich uns auch erst jetzt, zum Ende der Serie und mit etwas zeitlichem Abstand klar wird, ist das Ausmaß dessen, was nicht direkt erzählt wird.
Zum einen ist da natürlich die klassische “coming-of-age”-Geschichte der Protagonisten. Nicht nur Naruto entwickelt sich im Verlauf der Serie vom Kind über einen anstrengenden Jugendlichen bis hin zum reiferen Erwachsenen, sondern eben auch alle anderen Charaktere durchleben diese Entwicklung – jeder auf eine etwas andere Art und Weise.
Wir bekommen zu sehen, wie sich die zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen den verschiedenen Personen aufbauen, sich verändern oder eben auch zerbrechen. Wir erleben die Trauer der ersten Abschiede von geliebten Menschen, aber genauso das unsichere, unschuldige und trotzdem so fantastische Gefühl des ersten Mal Verliebtseins. Es werden Fehler gemacht und vergeben – eben alles, was zum Erwachsenwerden dazu gehört.
So im Nachhinein und im großen Ganzen betrachtet ist die ganze Serie zusammen mit seinen Zuschauern einfach, nun ja, mit der Zeit erwachsen geworden – ein bisschen wie bei Harry Potter. Man muss eben auch bedenken, dass Naruto zu den sogenannten Shonen-Manga/Anime gehört, welche sich eigentlich an ein junges, männliches Publikum richten (also so in etwa an 8 bis 12 Jährige, wie mir ein Japaner mal verraten hat), aber über eine Laufzeit von 15 Jahren diese Zielgruppe eben zusammen mit der Publikation älter geworden ist.
Wer also als 12-Jähriger angefangen hat Naruto zu schauen oder zu lesen, der oder diejenige (in Deutschland ist Naruto über die Geschlechtergrenze hinweg sehr beliebt) wäre dann jetzt mittlerweile eben auch schon Mitte 20 oder eben wie wir auch noch ein paar Jahre älter.
Das Wesen des Krieges
Vielleicht liegt es auch an der dazugewonnenen Reife, das uns jetzt etwas an dieser ganzen Serie aufgefallen ist, was wir vorher so noch gar nicht richtig wahrgenommen haben, obwohl es eigentlich im Hintergrund als zentrales Thema in der Erzählung immer vorhanden war: Der Krieg.
Die fiktive Welt der Serie ist von Anfang an erschüttert von Kriegen und Konflikten. Auch wenn zum Zeitpunkt des Einstieges so etwas wie ein brüchiger Friede herrscht, schwingt die Unsicherheit dieses Friedens wie eine körperlose Bedrohung ständig mit. Vorurteile der verschiedenen politischen Parteien untereinander, größtenteils das Ergebnis von aus in der Vergangenheit liegenden Auseinandersetzungen, verstärken dieses Gefühl mit Fortschreiten der Serie mehr und mehr.
Später, wenn ein erneuter großer Krieg nicht mehr abzuwenden ist und seine Auswirkungen mehr und mehr Form annehmen, wird einem auch als Zuschauer die Bedeutung von so mancher vorher bereits gezeigten Rückblende in die Kindheit und Jugend der Lehrer und Trainer von Naruto und seinen Freunden bewusst: Dieser Krieg währt scheinbar schon ewig, eine Spirale aus Gewalt die auf allen Seite Opfer fordert, Familien zerstört und Freundschaften zerreisst. Im Kern des Ganzen stehen die Ninja oder besser gesagt Shinobi – sie sind zugleich Grund (zusammen mit den politischen Machthabern) sowie Werkzeuge des Krieges.
Wir haben es also eigentlich – die Fantasy-Elemente mal für einen Moment ausgeblendet – mit einer Geschichte des Erwachsenwerdens in Kriegszeiten zu tun, welche zudem durch Rückblenden über mehrere Generationen hinweg erzählt wird. Im Nachhinein wurde uns dabei bewusst, dass wir eigentlich gesehen haben, wie Kinder dazu ausgebildet wurden im Gefecht zu töten um die eigenen Freunde, Verwandte oder eben Bewohner des eigenen Reiches zu beschützen… und wie diese Kinder dann später selbst zu Lehrern unserer Protagonisten wurden. Wer jetzt nur ein wenig Fantasie hat, der kann sich selbst denken, welches Ausmaß dieses Prinzip haben muss, wenn wir es auf das Vorhandensein von verschiedenen Reichen, versteckten Dörfern und Ninja-Gruppierungen ausweiten.
Frieden, oder?
Naruto zeigt uns also mit zunehmender Reife die Schrecken des Krieges, zugleich aber auch das Bestreben einer Generation (allen voran eben der namensgebende Naruto) diese Gewaltspirale zu durchbrechen und einen stabilen Frieden einkehren zu lassen. Ich verrate sicher nicht zu viel, wenn ich sage das es am Ende auch geschafft wird und Frieden einkehrt – allerdings nicht ohne Preis.
Abgesehen von den Opfern, die der Krieg als solches gefordert hat, wird uns in den letzten Folgen, in welchen eigentlich schon der Frieden herrscht ist, gezeigt was dieser Krieg mit denen angestellt hat, die in ihm gekämpft und überlebt haben. Albträume und Flashbacks als Symptome von Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) visualisieren die Schrecken, die ein Mensch in dieser Zeit durchgemacht haben muss. Auch das gerade aktuelle Thema von Ideologie getriebenem Terrorismus wird nicht ausgelassen und erstaunlich direkt angesprochen.
Wohlgemerkt alles im Rahmen einer Serie, welche nach Einstufung der USK für Zuschauer ab 12 Jahren freigegeben wurde.
Jetzt wirds sentimental
Aber auch die Welt von Naruto an sich befindet sich in einem Wandel. Die anfänglich sehr ländlich geprägte und kaum technologisierte Erscheinung von Konoha beginnt sich mit dem Auslaufen der Serie langsam zu verändern, moderner zu werden. Sehr viel deutlicher wird das später dann beim Zeitsprung zu – na, das verrrate ich im Fazit erst – wo wir gefühlt vom Beginn letzten Jahrhunderts in unser aktuelles springen.
Vielleicht hat es uns gerade deswegen so gerührt, als wir in der letzten Szene der letzten Folge dann Zeuge davon wurden, wie Naruto als nun erwachsener Mann kurz vor seiner Vermählung steht. Nicht nur in der Welt der Ninja geht damit eine Ära zu Ende, sondern irgendwie auch für uns selbst – nicht zuletzt mag es auch daran liegen, dass nun gerade in den letzten Folgen sehr viel mehr auf eine charakterliche Entwicklung der verschiedenen Figuren eingegangen wurde, die wir selbst nur zu gut kennen: Die Erkenntnis, dass mit dem Erwachsenwerden eben auch das Leben sich verändert und andere Dinge in den Fokus rücken als früher. Das ist nichts schlimmes oder etwas vor dem man Angst haben muss, es gehört eben einfach dazu – wir müssen unseren Platz in der Kindheit räumen, um Raum für die nächste Generation zu machen die heranwächst.
Was ich ganz besonders durch Naruto gelernt habe ist, das wir das was unsere Jugend und richtig wilden Jahre ausmacht nie verlieren werden, egal was sich auch alles an unseren Lebensumständen verändern mag. Auch wenn man sich dem Neuen nie verschließen und alle neuen Erfahrungen erst mal begrüßen sollte, brauchen wir das was unsere Vergangenheit ausmacht nicht vergessen – sie hat uns immerhin zu dem gemacht was wir sind. Ich bin beispielsweise mit Videospielen und eben auch Anime groß geworden (wenn auch beides nicht in der Auswahl wie heute) und habe zu diesen Dingen vermutlich das gleiche Verhältnis wie meine Eltern zu Serien aus ihrer Jugend oder Musik auf Vinyl.
Aber jetzt komm ich ja doch irgendwie vom Thema ab…vielleicht wäre das mal etwas für einen eigenen Beitrag zum Thema “Generationen” …
Fazit:
Wenn wir das Vorurteil der Kinderserie ausblenden und uns die Erzählung um Naruto, Konohagakure und die Shinobi im Gesamten betrachten, dann schaffen es die Macher uns eine für dieses Genre erstaunlich vielschichtige und zuweilen sogar emotional tiefgehende Geschichte über das Erwachsenwerden, die Grausamkeit des Krieges und die Wichtigkeit von Freundschaften zu erzählen. Wir lernen, dass es nicht um Blutsbande oder etwaige Verpflichtungen geht, sondern dass es Gefühle wie Liebe sind, die uns als Menschen zusammenhalten.
Wer sich von der etwas anderen Erzählweise und den manchmal für Manga und Anime typischen Übertreibungen nicht abschrecken lässt, den erwartet in Naruto eine Geschichte, die erst im vollen Umfang ihr eigentliche erzählerische Tiefe offenbart und in der Meta-Ebene viel mehr enthält als die eigentliche Story erzählt.
Leider sind die Folgen der originalen Naruto-Serie (welche seine Kindheit umfassen) bei keinem Streaming-Anbieter mehr vollständig auftreibbar und auch die spätere Serie Naruto Shippuden meist nur ab einem relativ späten Einstiegspunkt verfügbar. Es existieren zwar Streaming-Portale wie narutoloads.org, welche kostenlose Links zu vermutlich allen erschienenen Folgen enthalten, allerdings bewegen sie die Anbieter dieser Angebote damit mindestens in einer rechtlichen Grauzone. 😉
Ich hoffe, euch hat unser kleines, nicht ganz so alltägliches Serien-Review über Naruto gefallen. Wie findet ihr die Serie, falls ihr sie schon gesehen habt und worüber würdet ihr gerne mal etwas lesen. Schreibt es uns in die Kommentare – echt jetzt mal!
Eure Jens
PS: Mit dem Ende der Erzählung um Naruto ist die Geschichte von Konohagakure und der Ninja-Welt allerdings noch nicht zu Ende. Auch wenn wir von der Hochzeit Narutos als Abschluss der Serie auf eine ganz eigene Art gerührt waren, so freuen wir uns um so mehr das die Geschichte mit Boruto, seinem Sohn, jetzt in die Version 2.0 gebracht wird. Schauen könnt ihr die neue Serie übrigen sunter anderem bei crunchyroll.com.
Wenn Boruto: Naruto Next Generations ähnlich erfolgreich wird wie sein Vorgänger, dann stehen uns noch einige weitere Jahre mit hoffentlich eben so tollen Geschichten bevor – was uns sehr freuen würde; immerhin hat uns Naruto persönlich so berührt und auch irgendwo geprägt, dass wir sogar eine unserer Katzen nach einem Charakter aus der Serie benannt haben – Hinata.
(Screencaps/Bilder: TV Tokyo)