Liebe Leser und Leserinnen,
was haben das Pfeiffersche Drüsenfieber, brennende Bläschen am Mund und eine Gürtelrose mit dem Dreitage-Fieber gemeinsam? Allesamt werden diese Dinge von Viren der Gattung “Herpes” ausgelöst. Ja genau – Herpes! Genitalherpes und Windpocken sind quasi Cousins, CMV und Dreitage-Fieber könnten Geschwister sein. Ich möchte euch ein bisschen Hintergrundwissen vermitteln, um gerade die zu schützen, welche keinen richtigen Schutz haben.
Darf ich vorstellen!
Humane Herpesviren
HHV1 Herpes simplex Virus 1 HSV1 Alpha Herpesvirus
HHV2 Herpes simplex Virus 2 HSV2 Alpha Herpesvirus
HHV3 Varizella-Zoster-Virus VZV Alpha Herpesvirus
HHV4 Ebstein-Barr-Virus EBV Gamma Herpesvirus
HHV5 Cytomegalie-Virus CMV Beta Herpesvirus
HHV6 Humanes Herpesvirus 6 Beta Herpesvirus
HHV7 Humanes Herpesvirus 7 Beta Herpesvirus
HHV8 Humanes Herpesvirus 8 Gamma Herpesvirus
Alpha-Herpesviren replizieren schnell, haben ein breites Wirtsspektrum und überleben in den Ganglien des Wirtes dauerhaft.
Beta-Herpesviren replizieren langsam und haben ein enges Wirtsspektrum.
Gamma-Herpesviren haben sehr unterschiedliche Replikationszeiten und zeigen ein sehr enges Wirtsspektrum.
Grundsätzliches:
Ist das Immunsystem beziehungsweise die Immunabwehr nicht voll funktionsfähig wie bei primären und sekundären Immundefekten oder bei Säuglingen und älteren Menschen, kann jedes Herpesvirus für eine Reaktivierung sorgen oder zu einem schweren beziehungsweise atypischen Verlauf führen.
Ein Mal angesteckt verweilen Herpesviren ein Leben lang im Wirt. Sie verstecken sich je nach Gattung in den Nervenzellen, den Nieren oder in der Schleimhaut. Da einige Herpes Viren auch über die Plazenta übertragen werden können und weil Säuglinge besonders gefährdet sind, sollten werdende Mütter bei Verdacht auf eine frische Herpesinfektion direkt ihren Arzt konsultieren.
Zu den Viren
HHV1 & HHV2 (Simplex Viren)
Erkrankungen: Lippenherpes, Herpes ophthalimicus (Augen/Hornhaut), Probleme mit dem 1. Trigeminusast. Bevorzugt von HSV-1 ausgelöst die Stomatitis aphtosa (Mundfäule) und bevorzugt von HSV-2 ausgelöst der Genitalherpes.
Komplikationen: Herpes-Ösophagitis, Herpes-Enzephalitis und Herpeshepatitis.
HHV3 (Varizella Zoster)
Erkrankung: Windpocken und Gürtelrose.
Komplikationen: Lungenentzündung, zerebelläre Ataxie, bakterielle Sepsis, Reye Syndrom, Enzephalitis, Meningitis, Leber oder Gelenksbeschwerden bei Windpocken und Zoster-Meningitis, Zoster-Myelitis (siehe Myelitis), Zoster-Enzephalitis, Zoster generalisatus, Zoster ophthalmicus und Zoster oticus bei Gürtelrose.
HHV4 (Ebstein-Barr-Virus)
Erkrankung: infektiösen Mononukleose (Pfeiffersches Drüsenfieber)
Komplikationen: Als EBV-assoziierte Komplikationen können das Burkitt-Lymphom, nasopharyngeale Karzinome (im asiatischen Raum) und selten B-Lymphome entstehen. Dabei spielen weitere Faktoren eine Rolle, wie z.B. die chromosomale Translokation des c-myc Genes; Malaria wird als weiterer Cofaktor diskutiert. Auch menschliche Brustkrebszellen sind häufig durch Epstein-Barr Viren infiziert, ohne dass ein ursächlicher Zusammenhang gesehen wird. In etwa 10% der Fälle kommt es im Krankheitsverlauf zu einer Superinfektion der Tonsillen mit Streptokokken. Noch seltenere Komplikationen sind Enzephalitis, autoimmunhämolytische Anämie, Thrombozytopenie, Agranulozytose, Hepatomegalie oder Splenomegalie (Gefahr der Milzruptur!), Lungenentzündung, Myokarditis, Nephritis und Ikterus. Beim Auftreten dieser Symptome kann ein Krankenhausaufenthalt notwendig werden.
HHV5 (Cytomegalievirus)
Erkrankung: Die Erstinfektion mit CMV verläuft in 99% ohne oder nur mit geringen Krankheitssymptomen. Durch noch unklare Faktoren kann dieses Virus bei ansonsten gesunden Menschen zu einer schweren Erkrankung führen. Das Leitsymptom ist dabei hohes, manchmal wochenlang anhaltendes Fieber mit typischerweise erhöhten Leberwerten.
Komplikationen: Myokarditis, Thrombozytopenie oder Pneumonie können auftreten.
HHV6 & HHV7 (Drei-Tage-Fieber)
Erkrankung: HHV-6 und 7 sind die Erreger des Drei-Tage-Fiebers, einer Kinderkrankheit. Es handelt sich um doppelsträngige DNA-Viren, die mit dem Cytomegalie-Virus (CMV) eng verwandt sind. Von HHV-6 existieren zwei Serotypen (6A und 6B). In Europa erkranken Kinder praktisch nur an Typ 6B. Nach Abklingen der akuten Infektion persistiert das Virus im Wirtsorganismus. Das Drei-Tage-Fieber (Exanthema subitum, Roseola infantum, Sechste Krankheit) ist eine Erkrankung des Säuglings- oder frühen Kleinkindesalters (Kinderkrankheit), Kinder jenseits des zweiten Lebensjahres erkranken quasi nicht. Bei typischen Verlauf besteht drei Tage (2−8 Tage) anhaltendes hohes Fieber. Bei Entfieberung tritt ein Hautausschlag mit feinen, manchmal auch leicht erhabenen Flecken auf, der typischerweise am Stamm und im Nacken lokalisiert ist. Die Flecken können zusammenfließen und sich auf Gesicht und Extremitäten ausbreiten.
Komplikationen: Zu den häufigsten Komplikationen durch die HHV-6 und –7 gehören Diarrhoe und Erbrechen, Schwellung der Augenlider, Papeln auf dem weichen Gaumen und am Zäpfchen, Husten, Schwellung der Halslymphknoten, vorgewölbte und gespannte Fontanelle sowie Fieberkrämpfe. Letztere scheinen bei HHV-7 etwas häufiger aufzutreten als bei HHV-6.
HHV8
Erkrankung: HHV-8 ist bei HIV-Infektion mit der Entstehung des Kaposi-Sarkoms assoziiert. Weiterhin kann HHV-8 an der Genese bestimmter Lymphome beteiligt sein.
Das Kaposi-Sarkom: Das Kaposi-Sarkom ist eine, vor allem im Zusammenhang mit AIDS auftretende Neoplasie, deren Ursache auf das Humane Herpesvirus Typ 8 (HHV-8) in Verbindung mit Kofaktoren zurückzuführen ist. Die besonders unter Immunsuppression auftretende Krankheit äußert sich durch das Auftreten von braun, bläulichen Tumorknoten vor allem im Bereich von Schleimhäuten und im Darm. Männer sind häufiger betroffen als Frauen. Bei der mit AIDS assozierten Form treten braun, bläulichen Flecken multifokal meist auch auf der Haut von Beinen und Armen auf. Der Verlauf ist häufig chronisch. Eine Metastasen-Bildung in Lymphknoten und anderen Organen ist möglich. Ebenfalls möglich ist bei nicht vorhandener HIV-Assoziation ein seltener, direkter Befall der Lymphgefäße mit anschließender Ausbreitung auf innere Organe.
Inkubationszeit!
(Die Zeit von der Infektion bis zum Ausbruch der Krankheit)
Herpes Simplex: 2 – 12 Tage.
EBV: 7 – 30 Tage Kinder /4 – 7 Wochen Erwachsene.
CMV: 2 – 6 Wochen.
Varizellen: 14 – 16 Tage, kann aber 8 – 21 Tage, nach passiver Immunisierung bis zu 28 Tage betragen.
Drei Tage Fieber: 5 – 15 Tage.
Übertragung/Ansteckung!
Generell werden Herpes Viren über den Speichel und Tröpfcheninfektion übertragen. Deshalb spricht man beim EBV auch von der Kuss-Krankheit. Kontakt und Schmierinfektion zählen ebenfalls zu den Übertragungswegen. Es gibt allerdings ein paar Besonderheiten was die Ansteckung betrifft. So ist natürlich bei bläschenbildenden Herpes auch die Blässchenflüssigkeit eine Infektionsquelle. Bei den Varizella-Viren ist sogar die Tränenflüssigkeit ansteckend. CMV-Erkrankte scheiden noch Wochen nach abklingen aller Symptome Viren mit dem Urin aus.
Interessant:
Bei einer EBV Infektion kommt es ganz darauf an wer erkrankt . Den unkompliziertesten Verlauf haben in der Regel Kleinkinder, bei denen die Infektion wenn überhaupt ähnlich dem Dreitage-Fieber verläuft. Die meisten Eltern kommen gar nicht auf die Idee, es könnte sich um eine Infektion mit dem Ebstein-Barr-Virus handeln. Das liegt daran, dass nicht jeder Infizierte auch an der infektiösen Mononukleose beziehungsweise dem Pfeifferschen Drüsenfieber erkrankt. Die häufigsten Ansteckungen passieren in der Kindergarten und Schulzeit. Gerade weil Kleinkinder ja so viel „Sabber“ verlieren und pupertierende Jugendliche gerne ihre Körperflüssigkeiten mit gleichaltrigen austauschen, ist da die Gefahr einer Infektionswelle gegeben.
Da es von der Ansteckung bis zu den ersten Symptomen Wochen dauern kann, ist dann schnell irgendwann eine ganze Schulklasse betroffen. Wie so oft, wenn es um medizinische Dinge geht, haben junge Mädchen einen Vorteil gegenüber Jungs. Das weibliche Geschlecht leidet normalerweise viel weniger unter einer EBV-Infektion. Die Symptome sind milder und werden meist als hartnäckige Erkältung wahrgenommen. Erwachsene Männer haben die Arschkarte. Schwere Verläufe mit Krankenhausaufenthalt, Superinfektionen, Milzriss, Leber und Darmentzündung sind gar nicht so selten, wenn sich ein Mann im erwachsenen Alter zum ersten Mal mit EBV infiziert. Zwar bestätigen wie immer Ausnahmen die Regel – und doch sagt hier die Medizin ganz klar, dass Männer wirklich aufpassen müssen, wenn sie sich angesteckt haben.
Durchseuchung Durch und Durch
Bis zum 30. Lebensjahr haben 90% aller Deutschen sich mit dem Ebstein-Barr-Virus angesteckt. Wie gesagt, die meisten ohne es überhaupt bemerkt zu haben. Ca. 70% aller Menschen aus Industrieländern sind bis zum Erwachsenwerden mit CMV infiziert und erstaunliche 95% sogar mit Herpes Simplex. Auch das Dreitage-Fieber – also HHV6 und HHV7 – kann bei 95% aller Kleinkinder ab der Vollendung des zweiten Lebensjahres nachgewiesen werden. Ihr seht also, dass es sich hier um ein Thema handelt, welches uns alle angeht. Vielleicht habt ihr etwas gelernt und seid nun etwas besser gegen diese Art von Feind gewappnet. Viel Glück!
Euer Stephan