Rückmeldungen der Unternehmen auf unsere Anfrage
Mittlerweile ist eine Woche seit der Veröffentlichung dieses Artikels vergangen und wir haben Rückmeldungen zu den von uns an die Unternehmen gestellten Fragen erhalten. Als kurze Info vorab, wir haben folgende Anfrage sowohl an Octapharma, CSL Behring, Baxalta (bzw. Shire), Grifols und Biotest gestellt:
»Guten Tag, wir sind als freie Redaktion im Bereich Gesundheit und Soziales mit dem Schwerpunkt »Leben mit einer chronischen und/oder seltenen Erkrankung« tätig. In diesem Zusammenhang haben wir eine Anfrage erhalten, die in Bezug auf eine Reportage/Dokumentation, welche Anfang der Woche auf Arte lief, die bisherigen Aussagen zur Plasmasicherheit bei Immunglobulinpräparaten in Frage stellt. Uns wurde bisher immer versichert, dass für die Herstellung der Immunglobuline kein Plasma zur Fraktionierung aus dem Nicht europäischen Wirtschaftsraum hinzugekauft, also Importiert wird. Wir würden diese Aussage gerne bekräftigen, finden aber nun in den Veröffentlichungen des Paul-Ehrlich-Instituts (für 2015) Angaben, die dieser Aussage eher widersprechen: Gesamtimport von Plasma zur Fraktionierung aus dem Nicht-EWR von über 5 Millionen Liter, Anteil Import aus Nicht-EWR von normalem Immunglobulin 3.829 Kilogramm. Wir würden die Bedenken unter den Patienten natürlich gerne widerlegen, können das nun aber nur durch gezieltes Nachfragen bei den einzelnen Herstellern. Besteht die Möglichkeit von Ihrer Seite aus eine Aussage diesbezüglich zu bekommen?«
Rückmeldungen von allen erhalten
Bevor wir auf die verschiedenen Rückmeldungen eingehen, müssen wir jedoch zu aller Erst loswerden, dass unsere Anfragen von allen angeschriebenen Unternehmen beantwortet wurden. Besonders schnell war jedoch Biotest, deren Presseabteilung uns bereits zwei Stunden (!) nachdem wir die Anfragen versendet hatten telefonisch mit uns Kontakt aufnahm.
Von Biotest haben wir auch die mit Abstand aussagekräftigsten Informationen erhalten, welche ja (eben wegen der schnellen Reaktion) auch bereits mit den Artikel Plasmaderivate eingeflossen sind. Als einziges Unternehmen gab man uns hier eine Zahl über den Anteil von aus den USA importiertem Plasma an den eigenen Produktionskapazitäten. Diese, nach eigenen Angaben des Unternehmenssprechers, 3% beziehen sich jedoch auf alle Produkte und belieferten Märkte von Biotest, so das eine differenzierte Analyse für uns an dieser Stelle nicht möglich ist.
Uns wurde jedoch mitgeteilt, dass man aus wirtschaftlichen Gründen für den europäischen Markt versucht auch hier vor Ort gewonnenes Plasma zu verwenden, anstatt auf Importe zurück greifen zu müssen. Eine wichtige Rolle scheinen die Importe in Bezug auf hyperimmunes Plasma zu spielen, welche vor allem für die Gewinnung von Impfstoffen wie etwa gegen Hepatitis notwendig sind.
Die Sache mit den Stellungnahmen
Soviel also zu Biotest, aber was ist mit den anderen Herstellern? Nun, hier haben wir schriftliche Antworten mit unterschiedlich detailliertem Inhalt erhalten.
Octapharma stellte uns beispielsweise eine schriftliche Stellungnahme zur Verfügung, welche sich auf die erhobenen Vorwürfe der Reportage »Das Geschäft mit dem Blut« bezieht. Hierin wird erklärt, dass sich die einzelnen Unternehmen an übergreifende Qualitätssicherungsstandards halten und alle auf Blutplasma basierenden Produkte strengen Auflagen unterliegen, welche ständig durch die zuständigen Kontrollinstitutionen überprüft werden (die amerikanische Food and Drug Administration, die europäische Arzneimittelagentur sowie im Falle von Deutschland das Paul-Ehrlich-Institut).
Man geht in dem Schreiben außerdem auf die Umstände der französischen Recherchen ein, welche sich auf die Zulassung von OctaplasLG in französischen Krankenhäusern bezieht. Bei diesem Präparat handelt es sich jedoch um ein standardisiertes Produkt für die Transfusionsmedizin und somit nicht um ein Plasmaderivat.
Bezüglich der Spendeumstände in den USA verweist Octapharma auf die ebenfalls im Zuge der Reportage erfolgte Stellungnahme der PPTA (Plasma Protein Therapeutics Association).
Die PPTA, welche als Industrieverband die Interessen seiner Mitglieder vertritt (Global sind dies namentlich Bio Products Laboratory, Biotest, CSL Behring, Grifols Inc., Kedrion SpA sowie Shire), gibt in seinem Schreiben bekannt, dass der auf ARTE ausgestrahlte Beitrag voller Ungereimtheiten sei und falsche Rückschlüsse ziehe. Ebenfalls betont man, wie auch schon Octapharma, die Sicherheit der Produkte sowie die nahtlose Überwachung der entsprechenden Prozesse. Man überdies bedauert die pauschale Abwertung der us-amerikanischen Spender welche wie auch in Europa nach strengen Kriterien (in diesem Falle eben der FDA) ausgewählt werden.
Es findet sich jedoch auch ein Hinweis darüber, dass man seitens der PPTA bzw. derer Mitglieder bemüht sei auch in Europa flächedeckend auf eine Plasmapherese-Infrastruktur hinzuarbeiten, die den steigenden Bedarf an Plasmaderivaten zu tragen vermag.
Konkrete Zahlen zu Im- oder auch Exportverteilungen finden sich jedoch weder in den Verautbarungen von Octapharma, noch in jenen der PPTA.
Sowohl Shire als auch CSL Behring verwiesen im Übrigen ausschließlich auf diese Stellungnahme der PPTA und gaben keine darüber hinausgehenden Informationen.
Also bleibt nun noch Grifols, welche uns durch ihre Agentur bzw. Pressestelle antworteten. Wie auch bereits bei den anderen Unternehmen der Fall, wurde hier die Sicherheit der Plasmaderivate betohnt und auf die ständige Kontrolle durch die jeweiligen Behörden hingewiesen. Wir bekamen darüber hinaus jedoch auch Informationen über die Anzahl der Plasmaspenden, welche in den unternehmenseigenen 170 Spenderzentren in den USA abgenommen werden: 26.000 pro Tag. Grifols hält sich laut eigener Aussage in diesem Zusammenhang an alle von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vorgegebenen Vorschriften für die Plasmasammlung.
Es wurde außerdem erwähnt, dass jede Plasmaeinheit einer Reihe von analytischen Tests unterworfen wird- 18 an der Zahl – bevor und während diese sich im Produktionsprozess befindet.
Fazit:
Zwar haben wir von allen befragten Unternehmen eine Antwort bzw. Aussage erhalten, jedoch bis auf das Gespräch mit Biotest hat keine der Rückmeldungen mit wirklich aussagekräftigen Angaben überzeugt.
Die PPTA als Industrieverband hat zwar mit ihrer Stellungnahme schnell auf die in der Reportage erhobenen Vorwürfe reagiert und nennt darin zum Teil die gleichen Mankos, welche auch wir in unserer Analyse nannten, sagt darüber hinaus aber relativ wenig aus. Unserer eigenen Meinung nach liest es sich eben eher wie eine etwas unkonkrete Pressemitteilung, wie man sie von vielen Unternehmen in verschiedenen Zusammenhängen immer wieder bekommt.
Wir können die gemachten Angaben über die Sicherheit der Plasmaderivate, derer nahtlosen Überwachung und strengen Kontrolle durch die nationalen und internationalen Behörden durchaus bestätigen, hätten uns an dieser Stelle jedoch etwas mehr Offenheit gegenüber den Patienten und Verbrauchern gewünscht. Gerade CSL Behring und Shire fallen hier ob ihrer Rolle als Hersteller mit den größten Marktanteilen (39% bzw. 18,8%, Stand 2015) auf dem deutschen Markt etwas negativ auf.
Auf die Aussage der PPTA zu verweisen, finden wir an dieser Stelle etwas schwierig, da es sie als Interessenvertreter jener Industrie fungiert, welche in der Reportage eben auch explizit angegriffen wurde. Würde man sich um die gesundheitlichen Risiken des Zuckerkonsums sorgen machen, würde man seine Anfrage ja auch nicht an die Zucker-Lobby richten. Dabei ist Lobby nicht mal negativ gemeint, da die Bemühungen um die Aufklärung und den Aufruf zur Blut- und Plasmaspende ja durchaus richtig sind.
Was hätte man besser machen können? Nun ja, wir haben konkret nach den Verhältnissen vom importiertem zum exportierten Plasma bzw. der Menge gefragt, welche auf dem europäischen bzw. deutschen Markt verbleibt. Das die Plasmaderivate an sich sicher sind, ist angesichts der Tatsache, das es seit 20 Jahren keine Vorfälle mit Infektionen mehr gab, eigentlich gar nicht Gegenstand unserer Anfrage gewesen. Die Bedenken seitens der Patienten lagen vor allem in der ethischen Vertretbarkeit der Spendeumstände in den USA – welche wir mangels der Möglichkeit uns selbst vor Ort ein Bild zu machen, auch nicht widerlegen oder bestätigen können.
Etwas mehr Offenheit gegenüber den Kunden, die in diesem Falle Patienten sind, die es sich eben nicht aussuchen können ob Sie ein Medikament wollen oder nicht (anders als bei Lebensmitteln bestimmter Marken etwa), wäre an dieser Stelle wirklich wünschenswert – trotz der belegten Sicherheit der Plasmaderivate.
Euer Jens