Eine besonderes Hobby ganz barrierefrei
Mit dem Format Alltagshelden möchten wir euch regelmäßig Menschen vorstellen, die sich auf besondere Weise für den Umgang mit chronischen Erkrankungen einsetzen. Dieses mal geht es darüber hinaus aber auch noch um ein ganz besonderes Hobby, bei welchem man im ersten Moment wahrscheinlich an alles, aber nicht den Begriff Barrierefreiheit denken würde – die Beschäftigung mit dem Mittelalter, allerdings nicht in Form von theoretischen Studien sondern ganz praktisch ausgelebt.
Wir möchten euch in diesem Artikel gerne Jana vorstellen. Die 29 jährige gelernte Zierpflanzengärtnerin ist von einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (kurz CED) betroffen, um genau zu sein Morbus Crohn in einer schweren Verlaufsform, und bezieht aus diesem Grund derzeit Erwerbsunfähigkeitsrente. Im Jahr 2014 hat sie sich aufgrund der Erkrankung für einen künstlichen Darmausgang (Stoma) entschieden, welcher dazu beigetragen hat ihre Lebensqualität wieder ein Stück weit zu verbessern.
Das man auch mit solch einer Erkrankung durchaus aktiv sein kann, zeigt sie auf besondere Weise in ihrer Freizeit: Jana betreibt zusammen mit anderen Interessierten in einer Gruppe die Darstellung des Frühmittelalters. Dabei geht es nicht etwa um Schauspiel (naja, vielleicht ein ganz klein wenig) sondern um das praktische Nachempfinden und Erleben der Lebensumstände zu dieser Zeit. Unterwegs auf den an Mittelaltermärkten angebundenen Lagern oder im Eisenzeithaus in Grafhorn lassen sie gemeinsam als Gruppe ein Stück Vergangenheit im Jetzt lebendig werden und so Besucher und Zuschauer Zeuge des Mittelalters werden.
Wer sich jetzt denkt, mit einer chronischen Darmerkrankung so viel unterwegs, das kann doch nicht immer glatt gehen?! Stimmt, in der Tat war das in der Vergangenhiet nicht immer ganz einfach das Hobby mit der Erkrankung in Einklang zu bringen – vor diesem Hintergrund entstand auch ihr Herzens-Projekt „Mittelalter mit Behinderung erleben“, eine Facebook-Seite auf welcher Jana über Märkte und Mittelalterveranstaltungen berichtet, welche sich auch mit einer Behinderung gut besuchen lassen.
Mehr über die Infoseite und Antworten auf andere Fragen verrät euch Jana im folgenden kleinen Interview:
Wie bist du auf die Idee zu „Mittelalter mit Behinderung erleben“ gekommen?
Jana: Tja, wie kam die Idee. Ich selbst bin gerne auf Märkte gegangen allerdings war das schon zu Zeiten wo es mir gesundheitlich nicht sonderlich gut ging. Eigentlich musste ich laufend Ausschau nach Toiletten halten. Und in Altstädten welche zu finden ist nicht einfach, in Panik weil es dringend wird fast unmöglich. So kam dann die Idee auf zu schreiben in wie weit Behinderten Toiletten vorhanden sind. Daraus wurde dann kurz um auch die Beurteilung ob man wohl mit einem Rollstuhl oder einem Rollator diese Märkte auch besuchen kann.
Wie ist das Feedback zu deinem Projekt – sowohl von anderen Betroffenen wie auch von unbetroffenen Interessenten.
Jana: Ich habe schon sehr viel positives gehört. Sei es von Veranstaltern, die dankbar sind, dass jemand fragt oder sogar Tipps hat, oder eben von den Betroffenen und Angehörigen die Veranstaltungen besuchen können ohne zum Beispiel direkt am Anfang einer Veranstaltung vor einer unumgänglichen Treppe zu stehen und traurig sind, weil sie wieder gehen müssen.
Wie gehst du mit deiner eigenen Erkrankung während eurer Zeit im Mittelalter um? Musst du etwas beachten oder macht ihr als Gruppe etwas grundsätzlich anders?
Jana: Meine Gruppe weiß Bescheid, so wie eigentlich alle in meinem Bekanntenkreis. Ich lebe einfach ganz normal mein Leben – es schränkt mich in keiner Weise ein. Leider habe ich trotzdem nicht so viel Kraft wie manch andere und ich bin auch schneller mal K.O. – aber dann lege ich mich einen Augenblick hin und mache die schlafende Altsächsin. Das wurde aber auch erst durch mein Stoma möglich, durch den ich machen kann was ich will… vorher war das für mich nicht möglich.
Was gibt dir diese Freizeitbeschäftigung, dass du dich so dafür einsetzt und bist du der Meinung, dass es auch für andere Betroffene etwas sein könnte?
Jana: Ob das Hobby was für andere sein kann ist ja damit verbunden ob man sich auch für das Frühmittelalter interessiert und man Spaß daran hat. Aber mich begeistert die Recherche und was man so alles über die Zeiten damals erfahren kann. Mir gibt das Hobby und auch die Zeit die ich dort mit Freunden verbringe unheimlich viel Kraft – es macht mich einfach sehr glücklich.
Mir wurde mal gesagt, wenn ich vom Hobby erzähle, dann strahlen meine Augen und man sieht das ich echt Spaß daran habe. Und genau das macht es für mich aus: Es beruhigt mich und nimmt den Stress.
Muss man gleich richtig durchstarten, oder kann man auch erst mal reinschnuppen?
Jana: Ich denke bevor man voll einsteigen will sollte man testen ob das Hobby was für einen selbst ist. Man legt sich ansonsten vielleicht manche Sachen mehrfach zu, weil man noch nicht ganz sicher ist was genau man eigentlich darstellen oder nachempfinden möchte.
Will ich eine fundbasierte Darstellung oder eher etwas grob mittelalterliches bis hin zur Fantasy darstellen. Ich persönlich richte mich gerne nach Funden und möchte auch viel darüber lernen.
Man sollte erst mal sehen das man sich jemandem anschließt und schaut ob das bei jedem Wetter auf dem Markt stehen und auch schlafen etwas für einen ist.
Hast du Empfehlungen oder Tipps für Neugierige?
Jana: Wie eben schon gesagt, schließt euch jemandem an. Überlegt was ihr wollt. Lieber regional nach Funden oder doch eher die grob mittelalterliche Darstellung. Guckt wo Veranstaltungen sind und besucht sie. Fragt die Darsteller vor Ort es – gibt eigentlich keine dummen Fragen (abgesehen von „Ist das Feuer echt?“) :D.
Wie siehst du das Thema Freizeit mit Behinderung/Erkrankung generell? Gibt es genügend Möglichkeiten und Angebote um sich individuell entfalten zu können?
Jana: Ich denke es gibt viel aber es ist ausbaubar. Manche Veranstalter denken gar nicht daran das auch Menschen mit Einschränkung vielleicht teilnehmen oder sich das Ganze ansehen wollen würden. Ich fände es schön, wenn da öfter mal drüber nachgedacht wird. Denn am Ende kann es doch jeden treffen!
Möchtest du den Lesern noch etwas sagen oder mitteilen?
Jana: Ja gerne. Egal wie es euch geht, ihr müsst versuchen positiv zu bleiben. Es ist manchmal echt schwer, aber man kann viel schaffen wenn man dafür kämpft. Versucht etwas zu finden was euch ein Strahlen im Herzen bringt und was euch glücklich macht, denn das gibt euch Kraft!
Wenn ihr jetzt neugierig auf das Thema Mittelalter geworden seid, dann schaut doch mal in Facebook auf Janas Seite „Mittelalter mit Behinderung“ erleben vorbei. Uns bleibt an dieser Stelle nur Danke für dieses tolle, offene und ehrliche Interview zu sagen. Wir wünschen Jana mit dem Projekt viel Erfolg und freuen uns schon darauf, ihr und ihrer Truppe mal auf einem Markt über den Weg zu laufen (und vielleicht den einen oder anderen Met zusammen zu vernichten.
Euer Jens