Ein Tag mit Katja und Stephan
Liebe Alltagskämpferinnen und Alltagskämpfer,
am Samstag den 02.07.2017 habe ich mich auf den Weg nach Essen gemacht um mich mit meiner Freundin und Leidensgenossin Katja zu treffen. Warum dieser kleine Tagesausflug für mich etwas ganz besonderes war und wieso ich jedem nur empfehlen kann, sich auch mal mit Gleichgesinnten zu treffen, könnt ihr im folgenden Beitrag lesen.
Überwindung
Ein paar Tage vor unserem Treffen ist mir bewusst geworden, dass ich alleine und privat in den letzten drei Jahren keinerlei Verabredungen außerhalb Münsters hatte. Entweder mein Schatz war mit dabei oder ich war beruflich unterwegs. Ich hatte echt ein wenig Panik bekommen, weil ich absolut nicht gerne alleine mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs bin… und dann ging es mir auch eigentlich körperlich überhaupt nicht gut. Die letzten drei Jahre hatte ich zudem wegen der ganzen Umstände keine Zeit außerhalb meiner Homebase etwas zu machen – oder es ging mir einfach schlichtweg nicht gut genug. Ich habe echt schiss gehabt, dass ich absagen muss, aber naja, ich hätte nicht abgesagt – da bin ich mir sicher.
Katja hat mir die Anreise extrem erleichtert, indem sie mich schon in Essen am Hauptbahnhof abholte und ich nicht bis ganz zu ihr fahren musste – dadurch blieb mir das Umsteigen erspart. So haben wir eigentlich gedacht, dass die Anreise unproblematisch sein wird. Ich habe ja auch schon sieben Tage vorher angefangen täglich mindestens 10 mal auf die Verbindung zu schauen. Am Vorabend und direkt am Morgen habe ich auch noch die Bus-App unserer Stadtwerke gecheckt… und dann ging erst mal alles schief.
Kein guter Start
Ich bin also morgens wie geplant runter zum Bus. Auf der digitalen Anzeige stand, dass der nächste Bus in 18 Minuten kommt. Die App hatte wohl nicht gecheckt, dass am Wochenende die Busse anders fahren. Angst den Zug nicht zu bekommen kam in mir auf, denn ich fahre immerhin 25 Minuten bis zum Bahnhof. Also habe ich die Beine in die Hand genommen und bin zum nächsten Busknotenpunkt gelaufen. Es hat alles nix genützt und ich musste letztendlich doch auf den Bus warten. Ein früherer kam natürlich auch nicht. Glücklicherweise sah meine Planung einen Puffer von einer knappen halben Stunde vor.
Um 10:50 Uhr war ich dann am Bahnhof. Um 11:09 Uhr sollte mein Zug kommen – also hab ich auf Toilette und Kaffee verzichtet und bin direkt zum Gleis.
Was? Wo? Wie? Warum wird mein Zug nicht angezeigt? Langsam wurde ich ein wenig panisch. Ich hab die Nacht vorher auch nicht gut geschlafen und dachte es liegt vielleicht an der Übermüdung, dass ich irgendwie so schlecht zurecht komm. Es hat übrigens die ganze Zeit geregnet und meine durch die kaputten Schuhe bedingten nassen Füße haben die Situation dann auch nicht besser gemacht :-(.
Demotiviert, gefrustet und ziemlich genervt habe ich dann die Anzeigetafeln genau betrachtet und festgestellt, dass der Zug vorher schon 60 Minuten Verspätung hatte.
Das ganze lag an einem Brand auf der Strecke zwischen Münster und dem Ruhrpott… Naja letzten Endes hatte mein Zug dann 10 Minuten Verspätung und war total überfüllt. Katja und ich waren schon die ganze Zeit am schreiben, weil sie ja auch passend losfahren wollte.
In Essen angekommen und nach einer kurzen Suche (wir sind ja beide so eher “hobbitartig” unterwegs), sind wir erstmal los Schuhe sowie Socken shoppen.
Erkenntnisse
Es war die ganze Zeit am Regnen, aber nie wirklich schlimm und es war warm dabei. Katja und ich haben uns also erstmal im Leonardo eine Latte gegönnt und hatten dann viel Zeit zum Quatschen. Ich muss an dieser Stelle mal was sagen: Man denkt immer, man ist der einzige Mensch auf der Welt der so derb vom Leben gef…t wurde, aber nein, dem ist absolut nicht so. Weiter habe ich festgestellt, dass man tiefe und ehrliche zwischenmenschliche Beziehungen – also Freundschaften – auch online aufbauen und führen kann.
Ich schreibe jetzt schon sehr, sehr lange mit Katja und ein mal haben wir uns auch schon auf einer Patientenveranstaltung getroffen. Es kann sich vielleicht nicht jeder so richtig vorstellen, aber Kontakt zu Menschen zu haben, denen es ähnlich wie einem selber geht, ist wie ein Sechser im Lotto und zumindest für mich überlebenswichtig.
Ich suche mir die Menschen genau aus die in meinem Leben einen Platz bekommen und bei Katja kann ich sein wie ich bin. Ihr ist es egal, dass ich krank, behindert und schwul bin. Sie empfindet die Situation mit meiner Mutter nicht als abschreckend, sondern zeigt einfach Verständnis und Mitgefühl. Jetzt höre ich aber auf, weil wenn Katja den Bericht liest wird sie rot wie eine Tomate, fängt an zu weinen und ich will nicht schuld sein, dass ihr die Taschentücher ausgehen.
Habe ich schon erwähnt was für eine treue Seele sie ist? Herzensgut und aufrichtig, hat ziemlich was im Kopf und macht immer aus allem das Beste. Katja ist vom Leben genauso verarscht worden wie ich und vielleicht schweißt uns gerade diese Tatsache so zusammen.
Waldmeisterschorle und Bioburger
Um die Zeit bis zum Essen zu überbrücken sind wir noch ins Aleks gegangen, haben uns ‘ne Schorle gegeben und (ich zumindest) die durchaus ansehnlichen Kellner betrachtet . Gegessen haben wir in einem kleinen feinen Bio Restaurant mit dem Namen MANDUCARE. Ich habe mich gefühlt wie ein Hippster und auch wenn ich absolut keinen Hunger hatte, konnte Katja mich überzeugen mir etwas nahrhaftes zu gönnen. Es war nur mal nebenbei gesagt, der geilste Burger den ich je gegessen habe.
Vorher waren wir auch noch nen Oberteil und Jacke für mich shoppen. ich glaub zum letzten Mal hab ich vor 10 Jahren mit einer Freundin Klamotten gekauft.
Gegen Abend ging es dann auf dem Heimweg. Mein Zug hatte zwar 20 Minuten Verspätung aber ich konnte von Essen aus sehr bequem nach Münster durchfahren, hatte viel Platz und konnte im Zug den Tag nochmal gedanklich nacherleben.
Einfach mal nicht krank sein -Traut Euch
Ich habe am Samstag mit Katja vergessen, dass ich krank bin und zwischendurch zum ersten mal seit langem überhaupt nicht an Zuhause gedacht. Ich habe mich verstanden gefühlt und war einfach mal einen Tag lang nur ich.
Jens hat sich in der Zeit super um Mama gekümmert und den ganzen Haushalt gemacht. Es war ein toller Tag, trotz nasser Füße, verspäteter Züge und Regen. Ich bin so froh, dass ich mich aufraffen konnte und einfach losgefahren bin.
Ja, es war auch unglaublich anstrengend und ich war richtig K.O. – allerdings ist es ein unterschied, ob man einfach nur müde und erschöpft ist oder ob man platt ist, weil man einen richtig tollen Tag hatte.
Selbst wenn ich mir unterwegs was eingefangen haben sollte, ist es mir egal. Für so einen Tag nehme ich gern in Kauf danach flach zu liegen. Manchmal muss man den ganzen Kram eben doch einfach hinten anstellen und versuchen das Leben zu genießen.
“Man lebt ja schließlich trotzdem”
Also los verabredet euch und tauscht euch aus – es ist so unglaublich wichtig!
Dir liebe Katja nochmal ein ganz ganz liebes Dankeschön für den tollen Tag.
Du bist großartig.
Euer Stephan