Analgetika und ihre Wirkung
Schmerzmittel sind wohl eine jener Gruppen von Arzneimitteln, mit welchen eigentlich beinahe jeder schon mal Kontakt hatte. Ob nun im Rahmen einer ärztlichen Verordnung oder in der selbstverantwortlichen Eigentherapie bei leichten Beschwerden – Schmerzmittel laufen uns immer wieder über den Weg.
Aber worin Unterscheiden sich die verschiedenen Präparate eigentlich und in welchen Fällen kommt welcher Wirkstoff zur Anwendung? Doch als erstes wollen wir erst mal betrachten, was ein Schmerzmittel an sich eigentlich ist.
Analgetika als Schmerzstiller
Das was man gemeinhin als Schmerzmittel bezeichnet sind genauer gesagt eigentlich Wirkstoffe oder Wirkstoffkombinationen aus der Gruppe der Analgetika, welche schmerzstillend (analgetisch) wirken und im Idealfall Bewusstsein und sensorische Wahrnehmung nicht beeinflussen.
Sie unterscheiden sich in diesem Punkt bzw. ihrem Wirkmechanismus von Anästhetika (umgangssprachlich auch als Narkosemittel bezeichnet) und Lokalanästhetika (etwa zur Betäubung von bestimmten Bereichen), welche gezielt wegen der Ausschaltung weitergehenden Wahrnehmungen oder des Bewusstseins eingesetzt werden.
Wie so oft ist der erwünschenswerte Idealfall meistens jedoch nicht so ganz einfach erreichbar, was durch die Nebenwirkungen einiger Schmerzmittel ersichtlich wird. Wenn auch echte anästhitische Wirkungen sehr selten und eher bei potenten Wirkstoffen und Dosierungen möglich sind, so können verlängerte Reaktionszeiten oder eingeschränkte Sinnenswahrnehmungen durchaus vorkommen. Aus diesen Umständen resultiert auch der oft zu lesende Hinweis, dass nach Einnahme von Schmerzmitteln keine Fahrzeuge oder Maschinen geführt werden dürfen.
Wirkstoffgruppen
Natürlich gibt es nicht das eine Schmerzmittel sondern unterschiedliche Wirkstoffe aus verschiedenen Wirkstoffgruppen wie etwa den Opioiden, den nicht steroidalen Anti-Rheumatika (oder kurz NSAR) zu welchem beispielsweise auch die bekannten Vertreter wie Aspirin und Ibuprofen gehören, oder auch den Cannabinoiden.
Nicht jede dieser Gruppen wirkt bei jeder Art Schmerz gleich gut, weswegen der Einsatz nicht unbedacht geschehen sollte. So wirken Opioide beispielsweise bei Tumorschmerzen sehr gut, sind aber weniger effektiv bei der Unterdrückung anderer chronischer Schmerzen, bei welchen man eher zu anderen Wirkstoffen greift.
Opioide
Die Opioide gehören zu den am längsten bekannten und auch stärksten Schmerzmitteln. Obwohl die verschiedenen Wirkstoffe dieser Gruppe unterschiedliche und komplexe Wirkspektren besitzen, haben sie als Gemeinsamkeit eine stark schmerzlindernde Wirkung. Ihr Wirkmechanismus setzt an den μ- (altgriechisch “My”) und κ- (altgriechisch “Kappa”) Rezeptoren an, den sogenannten Opioid-Rezeptoren, welche sich auf der Oberfläche von Nervenzellen befinden und stoppen dadurch den Schmerzreiz im zentralen Nervensystem.
Für die Schmerzbekämpfung werden Stoffe verwendet, welche die besagten Rezeptoren aktivieren und damit einen körpereigenen Mechanismus ausnutzen, der sonst in der Stressantwort unseres Organismus von Bedeutung ist.
Da Opiate neben der analgetischen auch eine angstlösende sowie euphorisierende Wirkung haben und grundlegende intrazelluläre Vorgänge beeinträchtigt werden (Hemmung des Enzyms Adenylatcyclase), die eine immer höhere Dosierung für den Erhalt einer gleichbleibenden Wirkung notwendig machen, ist eine starke Suchtgefahr gegeben.
Bekannte Vertreter der opioiden Analgetika sind beispielsweise Morphium bzw. Morphin oder Präparate wie Methadon, Tillidin, Codein sowie Tramadol.
Nichtopioid-Analgetika
Die nichtopioiden Schmerzmittel sind eine nicht einheitliche Gruppe von Wirkstoffen, welche neben ihrer Funktion als Schmerzstiller zudem fiebersenkende (antipyretische) oder auch entzündungshemmende (antiphlogistische) Eigenschaften besitzen. Diese Gruppe wird daher weiter unterteilt in saure antiphlogistische antipyretische Analgetika (den bereits erwähnten NSAR) sowie nichtsaure antipyretische bzw. antiphlogistische antipyretische Analgetika. Zudem gibt es eine dritte Klasse der nichtopioiden Analgetika ohne antiphlogistische und antipyretische Eigenschaften.
Saure antiphlogistische antipyretische Analgetika
Was erst mal kompliziert klingt beschreibt im Grunde nichts anderes als jene Gruppe von Schmerzmitteln, welche wir wohl zumindest vom Handelsnamen der verschiedenen Präparate her eigentlich alle kennen. Zu diesen auch als nicht steroidalen Anti-Rheumatika bekannten Wirkstoffen gehört zum Beispiel die bekannte Acetylsalicylsäure – das Aspirin.
Wie der Name schon vermuten lässt handelt es dabei chemisch gesehen um Säuren, welche sich daher (und wegen ihrer hohen Eiweißbindung) besonders in Gewebe mit niedrigem pH-Wert anreichern, wie es unter anderem bei Entzündungen vorzufinden ist.
Dadurch sind sie gut für die Bekämpfung von Schmerzen die von Entzündungsherden ausgehen geeignet.
Ihre Wirkungen entfalten diese NSAR überwiegend durch die Hemmung des Enzyms Cyclooxygenase (COX), welches unter anderem für die Bildung von Entzündungsmediatoren (körpereigene Stoffe welche Entzündungen als Schutzmaßnahme einleiten und aufrechterhalten sollen, etwa zur Abwehr von Erregern) zuständig ist. Diese Mediatoren sind es auch, welche für die erhöhte Schmerzempfindlichkeit bei Entzündungen verantwortlich sind.
Da COX aber auch an der Bildung von Blutplättchen sowie der Aufrechterhaltung der schützenden Funktion der Magenschleimhaut beteiligt ist, ergeben sich auch direkt die daraus folgenden Nebenwirkungen: Die Blutgerinnung wird, je nach Dosierung, unter Umständen maßgeblich verringert und die Magenschleimhaut kann durch den sinkenden Säureschutz anfällig für Geschwüre werden. Auch die Nieren können von diesen Schmerzmitteln in Mitleidenschaft gezogen werden.
Die bekanntesten Vertreter der sauren antiphlogistischen antipyretischen Analgetika sind die bereits genannte Acetylsalicylsäure, Dicofenac, Ibuprofen aber auch Naproxen.
Nichtsaure antipyretische bzw. antiphlogistische antipyretische Analgetika
Im Gegensatz zu den sauren NSAR verteilen sich diese Wirkstoffe weitgehend gleichmäßig im ganzen Körper, weswegen sie gerade zur Behandlung von Schmerzen gut geeignet sind, welche nicht von Entzündungen ausgehen – wie beispielsweise nach einer Operation. Ebenfalls werden die Nieren von diesen Analgetika nicht beansprucht, dafür allerdings in einem höheren Maße die Leber, weswegen auch hier Vorsicht geboten ist um eine Schädigung auszuschließen. Während die Wirkungsweise der zu dieser Gruppe gehörenden Coxibe ebenfalls auf der Hemmung der Cyclooxygenase beruht, ist der Ansatzpunkt des bekanntesten Wirkstoffes der nichtsauren Analgetika, dem Paracetamol, bisher noch nicht endgültig geklärt – man geht jedoch davon aus, dass die Wirkung überwiegend im Gehirn und Rückenmark stattfindet.
Da Paracetamol dadurch kaum Einfluss auf die Blutgerinnung oder die Schutzwirkung der Magenschleimhaut nimmt, sind diese Nebenwirkungen daher auch unwahrscheinlich. Aufgrund der starken Beanspruchung der Leber sollte bei einer Vorschädigung des Organs jedoch eher ein andere Mittel gewählt werden.
Nichtopioide Analgetika ohne antiphlogistische und antipyretische Eigenschaften
Zu dieser Gruppe gehört der Wirkstoff Flupirtin, welcher neben einer mittleren bis starken schmerzstillenden Wirkung zudem einen entkrampfenden Effekt auf die Skelettmuskulatur hat. Es wird zum Beispiel bei Tumorschmerzen oder bei stark schmerzhaften Verspannungen oder Verletzungen des Bewegungsapparates verwendet. Die Anwendung wurde 2013 allerdings durch das Auftreten von Leberschäden eingeschränkt.
Cannabinoide
Zu den Cannabinoiden zählen neben den beiden bekanntesten Vertetern THC (Tetrahydrocannabinol) und CBD (Cannabidiol) noch etwa 80 weitere Stoffe, welche vornehmlich in der Hanfpflanze vorzufinden sind (und daher auch als Phytocannabinoide bezeichnet werden).
Die genaue Wirkweise dieser Stoffe ist noch nicht vollständig geklärt, jedoch verfügen wir als Teil unseres Nervensystem über ein endogenes (körpereigenes) Cannabinoid-System dessen Rezeptoren CB1 und CB2 durch die entsprechenden Wirkstoffen angesprochen werden kann. Die bisherigen Beobachtungen zeigen jedoch, dass diese Stoffe in der Behandlung von chronischen Schmerzen eine sinnvolle Alternative darstellen können, allerdings sind sie weniger geeignet wenn es um starke, akute Schmerzustände geht.
Mehr über Cannabinoide und ihren Einsatz als Medikament könnt ihr übrigen im Artikel Cannabis als Medikament erfahren.
Risiken und Nebenwirkungen
Da wir uns nun einen Überblick über die verschiedenen Wirkstoffgruppen verschafft haben, schauen wir uns nun die Nachteile der einzelnen Vertreter nochmals separat an.
Bei den Opioiden Analgetika ist die Sache noch relativ einfach zu erfassen: Die starke Wirksamkeit kommt mit dem Nebeneffekt einer erhöhten Wahrscheinlichkeit zur Entwicklung einer Abhängigkeits einher. Ähnlich wie Cortison können Opioide Analgetika nach einer längeren Einnahme nicht einfach abgesetzt werden, sondern müssen ausgeschlichen werden, da der Körper sich mit der Zeit an die Wirkstoffe gewöhnt. Als Nebenwirkungen können zudem Beeinträchtigungen der Sinneswahrnehmung auftreten, welche den Alltag mitunter beeinträchtigen können – dies hängt aber auch stark vom Präparat und der Dosierung ab (dieser Umstand trifft aber auch auf weitere mögliche und, präparatsabhängige Nebenwirkungen zu).
Bei den nichtopioiden Analgetika ist die Lage aufgrund der verschiedenen Wirkstoffe und zum Teil auch Wirkmechanismen nicht ganz so einfach. Während die sauren Analgetika vor allem die Blutgerinnung beeinflussen können, den Magen unter Umständen angreifen oder die Nieren schädigen, ist bei den nicht sauren Vertretern die Leber stärker belastet. Zu beachten ist außerdem, dass Schmerzmittel welche auf dem Weg der COX-Hemmung funktionieren durch diese Wirkungsweise eine ungewollte Ausschüttung von Leukotrienen hervorrufen können, welche dann bei entsprechender Veranlagung des Patienten zu asthmatischen Beschwerden bis hin zu asthmatischen Anfällen führen kann.
Für die Cannabinoide ist die Studienlage noch weniger umfangreich, da erst im März 2017 damit begonnen wurde diese Wirkstoffe für die reguläre Schmerzbehandlung von chronisch Erkrankten zuzulassen. Wie bei den meisten psychoaktiven Substanzen (in diesem Fall bezogen auf das THC) kann bei einer entsprechenden Veranlagung oder Vorbelastung das Risiko erhöht werden, eine Psychose zu entwickeln.
Man sieht also, keine der genannten Gruppen von Schmerzmitteln ist garantiert nebenwirkungsfrei. Allerdings nützt es ja auch nichts mit Kanonen auf Spatzen zu schießen, von daher ist es so oder so sinnvoll Nutzen und Risiken einer möglichen Medikation mit seinem Behandler gut durchzusprechen um auch mögliche Alternativen zu einem Präparat in Erfahrung zu bringen.
Beinahe vergessen…
Neben den bereits genannten Nichtopioiden Analgetika existieren noch 3 weitere Vertreter von Wirkstoffen, auf welche ich an dieser Stelle nicht weiter eingegangen bin.
Da wäre zum einen das Scopolamin, ein Stoff welchen man beispielsweise in Nachtschattengewächsen wie Stechapfel, Alraune und vor allem aber der Engelstrompete finden kann. Aufgrund seiner starken Nebenwirkung und hohen Toxizität wird es allerdings nur sehr niedrig dosiert in einigen wenigen Anwendungsfällen tatsächlich therapeutisch genutzt.
Dann wäre da noch das Epibatidin, was man wohl am ehesten als Pfeilgiftfroschgift kennen dürfte. Seine analgetische, also schmerzstillende, Wirkung übertrifft reines Morphin etwa um das 200-fache. Es wäre an und für sich ein sehr potentes Schmerzmittel, ist für den Menschen aber schlichtweg zu giftig. Die Entwicklung eines vom Epibatidin abgeleiteten synthetischen Wirkstoffes mit wesentlich geringerer Toxizität wurden 1996 in einer Phase-II-Studie abgebrochen. Es wird jedoch weiter in diesem Bereich geforscht.
Ebenfalls ursprünglich von einem Tier stamm das Ziconotid. Hierbei handelt es sich um einen Stoff welchen man im Gift der Kegelschnecke (Conus magus) entdeckte. Es findet Anwendung in der Behandlung von starken chronischen Schmerzen und wird hierzu mittels einer Pumpe direkt in die Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit des Patienten infundiert.
Als letzten Kandidaten hätten wir noch Ketamin, welches aufgrund seiner Eigenschaften einen Sonderstatus einnimmt. Ketamin hat neben einer schmerzstillenden und narkotisierenden Wirkung die Eigenschaft, eine dissoziativen Anästhesie herbeiführen zu können (die Erzeugung von Schlaf und Schmerzfreiheit unter weitgehender Erhaltung der Schutzreflexe).
Ketamin wird in der Human- und Tiermedizin unter anderem zur Einleitung von Vollnarkosen genutzt.
Fazit
Das Angebot von Schmerzmittel erscheint uns auf den ersten Blick sehr vielfältig. Schaut man aber ein mal genauer hin, fällt doch recht schnell auf, dass es aber eben doch nur eine relativ beschränkte Liste von Wirkstoffen ist, mit denen man da eigentlich zu tun hat.
Wenn die Überlegung oder Notwendigkeit einer Schmerztherapie zur Entscheidung ansteht, sollte man sich daher überlegen, welche Analgetika am sinnvollsten einzusetzen sind. Die WHO gibt hier zu als Richtlinie ein 4-Stufen-Modell vor, an welchem Mediziner sich orientieren können.
Wir hoffen, euch mit diesem Artikel einen groben Überblick verschafft zu haben. Wenn ihr noch Fragen oder Ergänzungen zu diesem Thema habt, dann schreibt uns gerne einen Kommentar oder meldet euch über die sozialen Medien – wir freuen uns immer von euch zu hören und zu lesen.
Euer Jens
Quellen: Gelbe Liste, Wikipedia (inkl. Quellenverweise)